Was ist Graue Energie?

Die Verwendung von natürlichen Ressourcen zur Gestaltung unserer Umwelt erfordert den Einsatz von Energie, die den Materialien als sogenannte Graue Energie unsichtbar innewohnt. Dazu gehört die Energie, die für Rohstoffgewinnung, Produktion, Transport und Einbau von Elementen aufgewendet wird. Im Sinne eines ressourcenschonenden Bauens muss diese sichtbar gemacht werden – neue Wege der Erhaltung und Nutzbarmachung sind notwendig. Das Verständnis für den Umgang mit grauer Energie bildet die Grundlage eines ganzheitlichen Ansatzes hin zu einer materiellen, ästhetischen und inklusiven Nachhaltigkeit für die Entwicklung von Städten und Regionen. 

Diese Energie zu erkennen, zu erhalten und zu nutzen ist das Ziel des Instituts für Graue Energie.

Das Institut setzt sich aus drei Sparten zusammen. Im Atelier entsteht ein Kollektiv von jungen Planer:innen, die Strategien des radikalen Bestandserhalts am Objekt entwickeln. Das Archiv wird Ort der Wissensgenerierung: Hier erforschen wir die Entstehung von Grauer Energie seit Beginn der Moderne und deren Transformation als aktuelle Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Das Reallabor, ein ehemaliger Getreidespeicher in Oßmannstedt (Thüringen), ist Angelpunkt, Heimstätte und erstes Projekt für das Institut zugleich. Hier entsteht ein öffentliches Zentrum für kollaborative Raumentwicklung, in dem inklusive Planungsansätze für Räume jenseits der Metropolen erdacht werden.

Wissen generieren

Wir betrachten die vertiefende Erforschung weiterer Dimensionen von grauer Energie über deren energetische Bedeutung hinaus als wichtige Grundlage unseres Handelns. Die gebundene Energie als Ressource ist zwangsläufig als Teil unserer Umwelt zu verstehen, sodass sich zahlreiche Wechselwirkungen zwischen Gebautem und Gewachsenem ergeben. Sind zyklische Regenerierung und Prozesse der Aneignung dabei nur scheinbare Widersprüche?

Wir verstehen Graue Energie als kulturell bedingte Ressource. Ihre Nutzung erfordert eine kritische Auseinandersetzung mit Entstehungsbedingungen und historischen Kontexten. Nicht nur in diesem Zusammenhang stellen wir die verkrusteten Bilder und Vorstellungen von urbanem und ruralem Raum in Frage.

Wichtige Erkenntnisse werden mit vorhandenem Wissen im Archiv des Instituts zusammengeführt, mit Interessierten diskutiert und langfristig verfügbar gemacht. Weitere Thematiken wie Reparaturkultur, nachhaltiges Bauen, urban mining oder bestehende Konzepte der Bestandstransformation fließen auf diesem Weg in das Institut ein und geben neue Impulse. Die meist urbanen Strategien werden jedoch nicht kopiert, sondern für die regionale Einbettung des Instituts radikal weitergedacht.

Praktiken adaptieren 

Der räumliche Fokus unserer Arbeit sind die Landschaften der Deindustrialiserung und des Strukturwandels. In diesen Industriekulturlandschaften finden sich unzählige Gebäudeareale besonderer Größe mit meist industrieller Vornutzung, die häufig brachliegen und deren Großzügigkeit wir als besonderes Potential und Ansatzpunkt begreifen. Besonders Gebäude die einer industriellen Produktion dienten, weisen aufgrund ihres aufwändigen Bauprozesses und der schwierigen Transformierbarkeit ein besonders hohes Maß an ungenutzter grauer Energie auf. Wir begreifen diese Energie als entscheidende Ressource in der Herausforderung um die Reduktion von Treibhausgasen und wollen vor Ort eine radikale Veränderung im bisherigen Umgang mit ihr anstoßen. 

Der Fokus liegt auf Strategien zu Erhalt, Umbau und Wiedernutzung dieses baulichen Bestands. Bisher sind Erhalt und Transformation dieser Bausubstanz in der Regel mit erheblichen Eingriffen und hohem energetischen Aufwand verbunden, sodass eine erneute Umnutzung in der Zukunft ausgeschlossen scheint – oder wiederum Unmengen an Energie und Ressourcen schluckt. Durch niedrigschwellige Aneignungskonzepte soll eine Alternative zur energieaufwendigem Totalumbau oder Abbruch entstehen.

Graue Energie – ein öffentliches Gut?

Graue Energie gilt in den meisten Fällen als nicht erneuerbar, weshalb wir im Institut für Graue Energie neue ressourcenschonende Herangehensweisen zur zirkulären Wiedernutzbarmachung und Einsparung dieser Energie entwickeln. Durch adaptive Nutzungskonzepte kann ein gewisser Grad an Erneuerbarkeit dieser Ressource erreicht werden. Diese Energie wird als öffentliches Gemeingut betrachtet. Neunutzung und Aufwertung dürfen ökonomische Ungleichheiten der Bodennutzung nicht reproduzieren, sondern können zu einer Verteilungsgerechtigkeit an öffentlichen Gütern beitragen.  

Wir verlassen dafür die urbanen Zentren, erproben die Herangehensweisen im Reallabor und tragen die Erkenntnisse durch das Atelier an weitere Orte in Mitteldeutschland und bestenfalls in andere europäische Regionen. Als Angelpunkt, Heimstätte und erstes Projekt des Instituts dient das Areal eines Getreidespeichers in Oßmannstedt (Thüringen),  Aufgrund der Bau- und Nutzungsgeschichte erachten wir dieses als anspruchsvolles kulturelles sowie ökologisches Erbe und somit als Kristallisationspunkt unserer Themen.

Beteiligte

Das Institut ist ein Zusammenschluss verschiedener Menschen aus den Disziplinen Gestaltung, Architektur, Urbanistik und angrenzender Bereiche wie der Denkmalpflege, Kunst oder dem Handwerk.


Bisher sind beteiligt: 
Leo Bockelmann (Urbanist)
Leon Dirksen (Architekt)
Fridtjof Florian Dossin (Denkmalpfleger)
Laura Hähnel (Grafikgestalterin)
Mirko Haselroth (Architekt)
Jannik Noeske (Urbanist)
Carolin Schmidt (Urbanistin)