Das Archiv ist Wissensspeicher und Projektmesse zugleich. Wir verstehen unter »Grauer Energie« nicht nur das Speichern von potenzieller, physikalischer Kraft in Bauwerken – sondern erweitern das Verständnis um Wissen und Ideen. Das Archiv versammelt und bewahrt Kenntnisse, Strategien und Projekte, die Ansätze des radikalen Bestandserhalts und der Wiedernutzung Grauer Energie mit Inwertsetzungsstrategien peripherisierter Räume verbinden. Die Arbeit erfolgt projektbezogen, eingebunden in regionale Netzwerke und öffentlichkeitswirksam.
Das Getreidesilo in Oßmannstedt fordert eine historische Auseinandersetzung geradezu heraus. Es ist ein Zeugnis der nationalsozialistischen Landwirtschaftspolitik, die die rassistische Blut-und-Boden-Propaganda einer vermeintlich nordischen Bewirtschaftung des Bodens mit dem Ausbau der Agrarindustrie als kriegswichtigen Wirtschaftszweig zu vereinen suchte, der nur durch massiven Einsatz von Zwangsarbeit bis Kriegsende aufrecht erhalten werden konnte. Nicht nur deshalb ist der Erhalt des Getreidespeichers in Oßmannstedt als unbequemes, als herausforderndes Erbe anzustreben.


Handbuch für Eisenbetonbau: Silos, Landwirtschaftliche Bauten (1938), S. 78.
Wissensspeicher
Im Archiv als Wissensspeicher sammeln und erforschen die Beteiligten Strategien und Erfordernisse des radikalen Bestandserhalts in den Landschaften der Industrialisierung. Diese sind als Ergebnis der Urbanisierungs- und Agrarpolitiken der letzten 150 Jahre zu lesen und zu beschreiben. Das Wissen über die historischen Rahmenbedingungen wird in Form von Veröffentlichungen, »Grauer Literatur« und historischen Zukunftskonzepten – Planungen, Strategien, Entwürfe – gesammelt, sortiert, zugänglich gemacht und kritisch kommentiert.
Projektmesse
Das Archiv als Projektmesse versteht sich als strategische Ideengeberin der Handlungsansätze des Instituts. Hier sammeln wir nicht nur unsere eigenen Projekte und Referenzen, sondern bauen eine umfassende Projektdatenbank auf. So kann das Archiv eine feste Dominante in der Regionalentwicklung werden und bei Anfragen Auskunft über laufende oder abgeschlossene Projekte der Kooperationspartner:innen geben. Dazu dienen die Inhalte des Archivs auch der vertiefenden Forschung des Instituts selbst und der Vorort-Recherche durch weitere Wissenschaftler:innen oder Interessierte.
Austausch und Netzwerk
Das Archiv dient der kooperativen Wissensproduktion vor Ort und in der Region. Dazu zählen beispielsweise Kooperationen mit den Planungs- und Architekturstudiengängen an den Hochschulen in Weimar und Erfurt, deren Konzepte und Entwürfe für den Bestandserhalt im Archiv gesammelt und in offenen Formaten mit der Bevölkerung diskutiert und weiterentwickelt werden.
Ideen und Konzepte sind dadurch längerfristig in einem Netzwerk vertreten und können in Kooperation mit dem Atelier auch einen konkreten Anwendungsbezug oder die Umsetzung erfahren.
Ort
Die Sammlung versteht sich als »Landarchiv« – ein dezentraler Wissensort jenseits der großen Institutionen in den Städten. Eine Heimat findet das Archiv mit seinen materiellen und digitalen Sammlungsobjekte in den 13 Silozellen des Reallabors in Oßmannstedt. Die archivarische und bautechnische Eignung der metaphorischen »Grauen Zellen« des Speichers soll in einem modellhaften Umbau einer Silozelle durch das Atelier erprobt werden.
Weiterhin entsteht auch ein Bauteilarchiv. Bewegliche, technische und nicht benötigte Ausstattung sowie Bauteile aus dem Reallabor werden hier gesammelt. Das Archiv dient der Erhaltung wesentlicher funktioneller Elemente des Gebäudes und der weiteren Erforschung historischer und industriell hergestellter Baustoffe. Hier stellen sich Fragen nach Konservierung, Reproduzier- sowie Reparierbarkeit, nach Gestaltung und regionaler und historischer Charakteristik. Das Archiv kann perspektivisch um Proben weiterer industrieller Baustoffe genau wie um Elemente anderer Bauwerke erweitert werden.
